


Christo und Jeanne-Claude vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, 1994
Foto: Wolfgang Volz © 1993 Christo
CHRISTO, geboren 1935 als Christo Vladimirov Javacheff in Gabrowo, Bulgarien, und seine 2009 in New York verstorbene Ehefrau Jeanne-Claude, geboren 1935 in Casablanca, Marokko, haben gemeinsam einige der visuell beeindruckendsten Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts erschaffen. Die beiden Künstler begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 1961.
Weitere Informationen zu den
Projekten von Christo und
Jeanne-Claude Offizielle Webseite
Zu ihren Werken zählen „Wrapped Coast, Little Bay, Australia, 1968-69“; „Valley Curtain, Rifle, Colorado, 1970-72“; „Running Fence, Sonoma and Marin Counties, California, 1972-76“; „Surrounded Islands, Biscayne Bay, Florida, 1980-83“; „The Pont Neuf Wrapped, Paris, 1975-85“; „The Umbrellas, Japan- USA, 1984-91“; „Wrapped Reichstag, Berlin, 1971-95“; „Wrapped Trees, Riehen, Switzerland, 1997-98“; „The Gates, Central Park, New York City, 1979-2005“ und „The Floating Piers, Lake Iseo, Italy, 2014-16“. Ihre Arbeiten finden sich in Museen und Galerien auf der ganzen Welt, darunter das Guggenheim und das Metropolitan Museum in New York, die Tate in London und das Centre Pompidou in Paris. Im Alter von sechs Jahren begann Christo sich für Kunst zu interessieren. Sein Vater war Chemiefabrikant, seine Begeisterung für Stoffe erwachte in der Jugendzeit in der Fabrik des Vaters. Als Jugendlicher fertigte Christo erstmals Zeichnungen von Stoffballen an. Von 1953 bis 1956 studierte er an der Akademie der Künste in Sofia. Über Prag gelang es ihm, mit dem Zug nach Wien zu fahren. 1958 zog er nach Paris. Dort machte er sich schnell einen Namen als Künstler und begann, mit Verhüllungen zu arbeiten. 1960 schloss er sich den Neuen Realisten rund um Pierre Restany und Yves Klein an; 1961 hatte er seine ersten Ausstellungen. Bereits 1958 hatte er Jeanne-Claude kennengelernt; 1960 kam ihr gemeinsamer Sohn Cyril zur Welt. 1961 begann das Paar, als Künstler zusammenzuarbeiten. Drei Jahre später zogen sie nach New York, 1967 erhielten sie erstmals eine Green Card. Nach diversen Rückschlägen, u. a. mit dem gescheiterten Projekt „5600 cubicmeter package“ auf der documenta IV in Kassel, gelingt ihnen der Durchbruch mit „Wrapped Coast, Little Bay, Australia, 1968-69“. Ihre Verhüllungskunst macht Schlagzeilen und das Künstlerpaar wurde auf der ganzen Welt bekannt. 2009 stirbt Jeanne-Claude im Alter von 64 Jahren. „The Floating Piers“ ist Christos erstes Großprojekt, das er ohne seine Partnerin abschließt. Aktuell noch in Planung befinden sich „Over the River“ in Colorado und „The Mastaba“ in Abu Dhabi.

Die Entstehung der Floating Piers







Regiekommentar
Das Streben nach Freude und Schönheit
Die kompromisslose Vision von Christo und Jeanne-Claude, wie Kunst erdacht, finanziert und umgesetzt werden sollte, hat mich immer schon fasziniert – in völliger Unabhängigkeit und mit einer einzigen Agenda: das Streben nach Freude und Schönheit. Unabhängig davon wie das Publikum sich das Aufblasen tausender bunter Ballons, die zeitgleiche Installation zahlloser gelber und blauer Schirme in Japan und Kalifornien oder die Verhüllung des Reichstags erklärt und wahrnimmt – es sind im Kern die Arbeiten von Künstlern, die ihre Träume mit noch nie dagewesener Präzision und einem einzigartigen Gespür für Ästhetik umsetzten.
Als würde man in Realität ertrinken
In gleichen Maßen war die Ehrlichkeit des Cinema Verité der Sechzigerjahre, wie man sie in den Arbeiten von Alber und David Maysles, D.A. Pennebaker oder Richard Leacock findet, prägend für meine Vision der Möglichkeiten des Dokumentarkinos. Es waren Filme, die befreit waren von den banalen vorgefassten Meinungen, die man von Plot und Erzählung hat. Sie schlugen einen neuen Weg vor, wie man an das Erzählen von Geschichten herangehen könnte. Sie zeigten Geschichten, die sich organisch aus den Figuren entwickelten und schlugen Nutzen aus den unkontrollierbaren Ketten von Ereignissen. Man hatte das Gefühl, als würde man in Realität ertrinken.
So ist das nun einmal in der Christo-Welt
Immer mal wieder zieht ein Dokumentarfilmemacher das große Los. Für mich war das der Moment, als ich die Gelegenheit erhielt, die beiden gerade angesprochenen Welten miteinander zu vereinen. Im Jahr 2016 erhielt ich das Angebot, einen Film über Christo und seinen künstlerischen Prozess zu machen. Die Grundlage bildeten mehr als 700 Stunden Filmaufnahmen, die von zehn verschiedenen Crews im Verlauf eines Jahres gemacht worden waren, während der Vorbereitung und Produktion von Christos jüngstem Werk, „The Floating Piers“. Das klingt nach einer Unmenge von Rohmaterial, aber so ist das nun einmal in der Christo-Welt. Er hat schon lange eine Faszination dafür, seinen Arbeitsprozess für die Nachwelt festzuhalten. Ich habe 18 Monate lang an CHRISTO - WALKING ON WATER gearbeitet. Ich stand dabei täglich in, oftmals sehr zwanglosem, Kontakt mit dem Protagonisten, der ein paar Stockwerke über unserer Schnitteinrichtung arbeitete (in diesem Fall gleichbedeutend mit „lebte“). Diese unbearbeiteten Aufnahmen, die mir zur Verfügung standen und die ohne mein Zutun in der Vergangenheit entstanden waren, waren das Material, aus dem ich mein Porträt von Christo und seiner Arbeit formte, während ich ihn in meinen täglichen Beobachtungen und Interaktionen zu verstehen begann. Im Verlauf dieses Prozesses sichtete ich auch bereits existierende Aufnahmen, darunter YouTube-Videos und iPhone- Filme, die von Touristen und zufällig Herumstehenden gemacht wurden. Ich drehte zudem zusätzliches Material. All das fand seinen Platz im fertigen Produkt.
Das Formen von Informationen
Christo ist eine der meistdokumentierten Persönlichkeiten unserer Zeit. Es ging also weniger um das Festhalten als vielmehr um das Formen. Für mich war das eine – befreiende – Abkehr vom Prozess meiner vorherigen Filme, wo ich vom Konzept über den Dreh bis zur Fertigstellung immer volle Kontrolle gehabt hatte. Aber darin spiegelt sich auch etwas Essenzielles über unsere Zeit wider: Information in ihrer Rohform existiert in Hülle und Fülle, die Herausforderung besteht darin, sie in eine Form zu bringen, die authentisch ist.
Der Filmtitel hat eine doppelte Bedeutung
Was habe ich persönlich aus dieser Erfahrung mitgenommen? Für Christo ist Kunst ein Vorgang und nicht ein Endresultat. „The Floating Piers“ ist das Tüpfelchen auf dem I. Das wirklich Spannende liegt darin, sich alle Möglichkeiten vorzustellen, die Hürden der Bürokratie zu nehmen und es mit den Naturgewalten aufzunehmen. Der Filmtitel WALKING ON WATER hat dabei eine doppelte Bedeutung. Zunächst bezieht er sich natürlich auf das Erlebnis, das man bei „The Floating Piers“ hatte. Für mich steht er aber auch für mein Ziel: einen Film zu machen, der jedem Zuschauer die Möglichkeit gibt, in den Fußstapfen von Christo während des Heiligen Grals der Schöpfung zu laufen.

Stab
Regie | ANDREY M. PAOUNOV |
Produzenten | IZABELLA TZENKOVA, VALERIA GIAMPIETRO |
Produktionskoordinatoren | MARILENA MONDATI, MARIA TERESA ZINGARELLO |
Produktionsassistenten | MARZIA DE TAVONATTI, GIUSEPPE RIBOLA, DAVIDE ANTONIO MASSETTI, GIAMPIERO PELLI |
Kamera | MARTINA COCCO, PIETRO DAVIDDI, SIMONE D’ARCANGELO, ANTONIO FERRERA, SNEJINA LATEV, ANASTAS PETKOV, FRANCO PIROLI, NEVENA RASHKOVA, WEDIGO VON SCHULTZENDORFF, DEBORA VRIZZI |
Kameraassistenten | GIORGIO MELGRATI, MARCO STEFANONI |
Zusätzliche Aufnahmen | GUY SCHACHAR |
Tonmischer | TYLER EVANS, MIKE KARAS, ROBERTO MARELLI, FABIO RUSSO |
Schnitt | ANDREY M. PAOUNOV, ANASTAS PETKOV |
Musik | DANNY BENSI, SAUNDER JURIAANS |